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Schwerer Vorwurf: Amri-Ermittlungen wurden kurz vor dem Weihnachtsmarkt-Anschlag abgewürgt

Wurde der V-Mann, der Amri im Visier hatte, wenige Monate vor dem Weihnachtsmarkt-Anschlag mundtot gemacht? Das jedenfalls behauptet ein LKA-Beamter im Untersuchungsausschuss gegen die Bundesbehörden.

Ein politisches Beben aus Karlsruhe erfasst den ehemaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Im Untersuchungsausschuss um mögliche Behördenfehler im Zusammenhang mit dem Weihnachtsmarkt-Anschlag 2016 äußerte ein LKA-Beamter schwere Vorwürfe gegen das Bundeskriminalamt (BKA) und das Bundesinnenministerium. Auch de Maizière wird genannt.

Es geht um den V-Mann „Murat“. Dieser habe offenbar vor dem schweren Anschlag in Berlin mehrfach darauf hingewiesen, wie gefährlich Anis Amri sei. Ein Ermittler aus NRW behauptete nun, ein Beamter des BKA habe ihm am 23. Februar 2016 wissen lassen, dass der V-Mann „zu viel Arbeit“ mache und „kaputtgeschrieben“ werden solle. Angeblich sei diese Anweisung von „ganz oben“ veranlasst worden. Der LKA-Beamte nennt den Namen Thomas de Maizière, seinerzeit Bundesinnenminister. Der LKA-Ermittler sagt heute, er sei „geschockt“ gewesen. Denn besagter V-Mann sei eine verlässliche Quelle gewesen, die jahrelang Informationen aus dem islamistischen Milieu geliefert hätte.

Das Bundesinnenministerium wies die Vorwürfe zurück. Der Beamte hätte „weder wörtlich noch sinngemäß“ angedeutet, dass der V-Mann „zu viel Arbeit“ mache. Außerdem sei auszuschließen, dass der damals führende BKA-Mitarbeiter oder der ehemalige Innenminister eine solche Anweisung gegeben hätte.

Der V-Mann unter dem Decknamen „Murat“ soll seit Ende 2015 in diesem Zusammenhang Informationen zu Anis Amri gesammelt haben. Laut „Murat“ habe Amri von den Pariser Anschlägen 2015 geschwärmt und überlegte, selbst in Deutschland zuzuschlagen. Als Amri im Frühjahr 2016 nach Berlin zog, hatte der V-Mann „Murat“ bei den Behörden jedoch erste Widersacher. Offenbar empfand man dessen Schilderungen zu möglichen Anschlagsplänen als zu detailliert, außerdem stand der Verdacht im Raum, dass „Murat“ junge Männer anstiften würde, Anschläge zu begehen, um seine Beziehungen mit den Behörden lebendig zu halten.

Aufgrund von „Murats“ Aussage hielten mehrere Mitarbeiter des LKA NRW den Tunesier Amri für sehr gefährlich. Der Zeuge sagte, er habe Amri jederzeit einen Anschlag zugetraut. Doch als Amri aus NRW fortzog, übernahmen Beamte aus Berlin die Ermittlungen und kamen zu dem Schluss, dass Amri sich vom Islamismus abgewandt hätte und nur noch im Drogengeschäft aktiv sei. Am 19. Dezember 2016 riss der Tunesier mit Kontakten zum deutschen Salafisten-Milieu einen LKW an sich und fuhr damit in den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitschneidplatz. Zwölf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Amri flüchtete zunächst und wurde von der Polizei in Italien erschossen.

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Sara Breitner